(BRAVO, May 1981)
Bassisten sind ein Schlag für sich. Sie halten sich lieber mehr im Hintergrund und lassen Lead-Sängern oder Solo-Gitarristen auf der Bühne den Vortritt. Die stehen im Rampenlicht, denen jubeln die Fans am meisten zu. John Deacon, seit genau zehn Jahren Kollege von Freddie Mercury, Roger Taylor und Brian May, macht da keine Ausnahme."Ich bin der ruhende Pol. Ich renne nicht soviel wie die anderen herum. Das paßt nicht zu mir," sagt er.
John, der am 19. August 30 wird, ist mit seiner Rolle zufrieden. Er schätzt sie genauso hoch ein wie die der anderen Queen. Ohne John ginge es ebensowenig wie ohne Freddie."Wir sind deshalb so gut, weil wir so verschieden sind. Jeder hat seine speziellen Fähigkeiten, die er auf seine Weise für die Band einsetzt. Zusammen ergeben sie ein einzigartiges Ganzes, das Queen heißt."
Wer mit John Deacon spricht, merkt schnell, was der meint. Er ist der Bedachtsame, der Gründliche, der Ausgeglichene. Selten beantwortet John eine Frage spontan: Er überprüft sie und versucht, so präzise wie möglich zu sein.
"Ich kümmere mich um die geschäftliche Seite bei Queen. Seit wir uns selbst managen, hat jeder von uns bestimmte Aufgaben übernommen, und weil ich schon immer gut in Mathematik war, war es irgendwie selbstverständlich, daß mir die Funktion des Queen-Buchhalters zufiel. Mir macht das Spaß. Die geschäftliche Seite eines Unternehmens wie dem unseren kann genauso spannend sein wie ein wichtiges Konzert."
Was John nicht sagt: Freddie, Brian und Roger sind hellfroh, daß einer bei Queen mit Zahlen genauso gut umzugehen weiß wie mit Noten. Wenn John sein Okay zu einem Vertrag gibt, stimmen die anderen bedenkenlos zu. Dem ausgebildeten Elektroniker, der einst das Chelsea College mit der höchsten Auszeichnung abschloß, entgeht nichts.
Nun sollte deshalb aber keiner den Fehler begehen, John Deacon musikalisch zu unterschätzen, nur weil er seine eigenen Leistungen auf diesem Gebiet selten erwähnt. John liegt einfach Bescheidenheit mehr als Star-Rummel.
Mr. Deacon ist beispielsweise der Verfasser des Queen-Hits "Another one bites the Dust", einem Titel, bei dem er mit seiner Baßgitarre entsprechend groß rauskommt.
Ehrlich berichtet er von den internen Kämpfen der Gruppe, wenn es um neue Titel geht: "Das hat nichts mit Geld zu tun, sondern mit dem Ego. Wir sitzen und streiten, weil natürlich jeder möglichst viele eigene Titel auf einer neuen LP haben will. Da kann es dann manchmal schon recht heiß hergehen. Aber das ist gesund fürs Bandklima und kein Grund zur Beunruhigung. Roger kam beim letztenmal mit so vielen Ideen an, daß im Moment für ihn die Zeit für eine Solo-LP reif ist. Das ist ein besseres Ventil als immer stärker werdende Unzufriedenheit in der Gruppe."
Der Gentleman reist mit Familie
John Deacon, auf den gut die Bezeichnung Gentleman paßt, sieht die Zukunft von Queen zuversichtlich. "Wir sind keine kleinen Kinder, sondern Menschen mit guter Erziehung und reichlich Bildung. Wir vermeiden Fehler, die wir bei anderen sehen."
Zu denen gehört auch ein zu umfangreiches Tournee-Programm. "Man geht sich nach einer Weile auf den Wecker. Es kriselt dann, und das färbt auf die Show ab. Ein Mittel dagegen ist, Tourneen in einzelne Blöcke aufzuteilen und zwischendurch Urlaub voneinander zu machen." Ein anderes ist, sich Gesellschaft mitzubringen.
John, der oft darüber klagt, zu sehr von der Öffentlichkeit abgeschirmt zu sein, reist oft mit seiner Frau Veronica und seinen Kindern Robert, Michael und Laura. "Ich brauche meine Familie um mich. Sonst bekomme ich ganz einfach Heimweh. Außerdem trifft man unterwegs nicht allzu viele Leute, mit denen man sich unterhalten kann."
Damals, als John zum erstenmal mit den anderen zusammenspielte (er ersetzte Jim staffell, mit dem Brian, Freddie und Roger eine Gruppe namens "Smile" gegründet hatten), war John das perfekte, zuverlässigste "Mädchen für alles." Er kümmerte sich zu Queens Anfangszeit um das Funktionieren der Verstärker-Anlage und um das Licht.
Wenn er sich heute daran erinnert, schaudert es ihn. "Wir sind alle Perfektionisten, doch wenn man mit der Band noch in den Kinderschuhen steckt und kein Geld hat, ist das nicht gerade leicht. Meine Geduld und mein Humor sind mir dabei zugute gekommen."
Längst besorgen Dutzende von Technikern das komplizierte Geschäft mit der Elektronik. Doch noch immer wirft John, der ursprünglich mit zwölf die Rhythmusgitarre zu seinem Instrument machen wollte, ein Auge auf den technischen Apparat. Und das paßt zu ihm: "Ich will nicht den Bezug zur Wirklichkeit verlieren, mich um nichts mehr kümmern und eines Tages hilflos dastehen. Deshalb schätze ich auch die Arbeit im Schallplattenstudio so sehr: Man ist dort viel mehr auf sich selbst gestellt."
Nichtraucher und Wenig-Trinker John erklärt seine zurückhaltende, natürliche und ruhige und sehr englische Art mit einer einfachen Lebenseinstellung: "Nur nichts übertreiben."